November 2018 – Newsletter zu AÜG und Scheinselbstständigkeit, Trends 2018 – Ein Blick in die Praxis

 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Zeit für ein erstes Resümee, denn eineinhalb Jahre sind inzwischen vergangen, seitdem unter viel „Getöse“ seitens Politik, Verbänden und der Unternehmenspraxis die Neuregelungen zum AÜG in Kraft getreten sind. Das heraufbeschworene Ende ganzer Branchen, die bislang auf vielfältigen Konzepten flexibler Beschäftigungsmodelle basierten, ist (erwartungsgemäß) nicht eingetreten. Gleichwohl haben die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen für einiges an Bewegung gesorgt, was allerlei Modelle von Fremdpersonaleinsätzen – egal ob auf Basis einer Arbeitnehmerüberlassung oder von Werk- bzw. Dienstverträgen mit selbstständigen Einzelauftragnehmern oder eigenen Mitarbeitern – angeht.

Dies gilt zunächst auf der präventiven Ebene, denn gerade die neuere Rechtsprechung von BAG, BSG und zuletzt auch des BGH in Strafsachen zu Vorsatz- bzw. Zurechnungsfragen ebnet den Weg für wirksame Compliance Konzepte, um die umfassenden Risiken einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung und einer Scheinselbstständigkeit zu mitigieren („Contractor Compliance“). Zum anderen gilt dies aber auch für die repressive Ebene, denn viele Unternehmen sahen sich zuletzt einer äußerst restriktiven Verwaltungspraxis seitens Deutscher Rentenversicherung („DRV“), Bundesagentur für Arbeit („BA“) und des Zolls konfrontiert, die zu umfassenden Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Ordnungsgeldbescheiden auch gegenüber den handelnden Personen auf Unternehmensseite selbst geführt hat, die allerdings spätestens einer gerichtlichen Überprüfung oftmals nicht standhalten.

Nach eineinhalb Jahren vielfältiger praktischer Erfahrungen mit dem neuen AÜG – sei es bei der Implementierung von Präventivmodellen oder in gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzungen mit BA, DRV, Zoll oder privaten Akteuren (auch der SOKA-Bau) – ist es also Zeit für Zeit für ein erstes Resümee. Hierbei möchten wir nicht einfach einen bunten Blumenstrauß an gerichtlichen Entscheidungen o.ä. präsentieren, sondern diese in die für uns wichtigsten grundlegenden „Trends 2018“ einbetten, um Ihnen einen bestmöglichen Über- und Ausblick auf die vergangenen und zu erwartenden Entwicklungen zu geben und daraus auch ganz konkrete Tipps für Ihre praktische Arbeit abzuleiten.

Viel Spaß bei der Lektüre, die Sie hier auch als pdf abrufen können.

Dr. Thilo Mahnhold und Dr. Daniel Klösel

IT-, Beratung & Co.: Rechtssicheres Contracting bei „Hochvergüteten“ und agilem Arbeiten?

BSG vom 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R; in der Folge u.a. LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.02.2018 – L 2 R 488/17; SG Hannover vom 10.01.2018 – S 14 R 32/16; LSG Rheinland-Pfalz vom 12.12.2017 – L 6 R 1333/17; LSG Schleswig-Holstein vom 11.05.2017 – L 5 KR 73/15

 

Einführung:

Das neue AÜG hat in vielen Branchen für erhebliche Unsicherheit gesorgt, auch in solchen, die bislang noch nicht so sehr im Fokus standen und die auch der Gesetzgeber wohl nicht so stark im selbigen gehabt haben dürfte. Dies gilt vor allem für den Bereich der sog. „Wissensarbeit“, bspw. bei IT-Dienstleistern, externen Beratern oder sonstigen hochqualifizierten Tätigkeiten wie Bau- und Projektleitern, Interim Managern o.ä. Hier haben sich in den letzten Jahren ganze Branchen herausgebildet, in denen hochspezialisierte Tätigkeiten den Endkunden (ausschließlich) auf Selbstständigenbasis sowie über eigenständige Agenturen, Provider und Beraterfirmen angeboten werden. Im Zeitalter der viel beschworenen Digitalisierung und agilem Arbeiten sicherlich ein notwendiges und kaum wegzudenkendes Element auf dem Arbeitsmarkt. Nach der Einführung des neuen AÜG war die Verunsicherung groß, nun wird entgegengesteuert, jedenfalls durch einige Gerichte.

Sachverhalt(e):

Alle Entscheidungen beschäftigen sich mit dem Dauerbrenner, der Abgrenzungsfrage zur Scheinselbstständigkeit. Bekanntlich kommt es hier auf eine Vielzahl einzelner Kriterien an, insbesondere auf die Weisungsgebundenheit und die Integration der vermeintlichen Freelancer in die betriebliche Organisation des Auftraggebers, die im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen sind, sodass die jeweiligen Ergebnisse einem erheblichen Graubereich unterlagen. Konkret geht es nunmehr um die Frage, ob demgegenüber das – sehr klar definierbare – Kriterium der Vergütungshöhe ein Merkmal für eine selbstständige Beschäftigung bilden kann und wenn ja, wie diese ausgestaltet sein muss und welche Relevanz dies gegenüber den anderen relevanten Merkmalen im Rahmen einer Gesamtabwägung haben kann.

Entscheidung(en):

Die Ausgangsentscheidung kam vom BSG, das entgegen der zuvor allgemein vertretenen Auffassung in der Honorarhöhe ein wesentliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sieht: „Denn liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers (…) und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.“ (BSG a.a.O.). Dem BSG hatte hier bereits ein Verdienst von EUR 40,00 bis 41,50 je Betreuungsstunde genügt, da dies deutlich über den Honorarsätzen vergleichbarer sozialversicherungspflichtiger Heilpädagogen liege.

Auch wenn einige Literaturstimmen zunächst skeptisch waren, ob hieraus eine allgemeine Tendenz abzuleiten sei, griffen zahlreiche Landessozialgerichte diesen Gedanken auf und bewiesen sogar den Mut, noch einen Schritt weiter zu gehen. Auch wenn gemeinhin geteilt wird, dass die Vergütungshöhe noch nicht für sich allein den Weg in die Selbstständigkeit ebnen kann, sieht die Rechtsprechung hierin – das BSG hatte noch von einem „gewichtigen Indiz“ gesprochen – jedenfalls ein „wichtiges“ oder gar „sicheres Indiz“ für eine selbstständige Tätigkeit (LSG Rheinland-Pfalz a.a.O.; SG Hannover a.a.O.). Allein ein Vergleich der Vergütungsgruppen wird indes nicht genügen, denn es wird gleichsam betont, dass die Relevanz der Indizwirkung umso geringer ausfällt, je niedriger das jeweilige Gesamtentgeltniveau liegt; EUR 10,50/Stunde für „prekär beschäftigte“ Ladendetektive sei jedenfalls nicht ausreichend, Vergleich hin oder her (LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O), EUR 85,00/Stunde für einen Honorararzt bei Vergleichslöhnen von EUR 30,00-40,00/Stunde dagegen schon (SG Hannover a.a.O.).

Eine weitere Entscheidung geht allerdings noch einen bemerkenswerten Schritt weiter, indem betont wird, dass auch unabhängig von der Honorarhöhe der sich wandelnden Arbeitswelt Rechnung getragen werden müsse, in der die Tendenz der Unternehmen besteht, immer mehr Arbeitsbereiche an freiberufliche Mitarbeiter zu vergeben und nur unter dieser Voraussetzung überhaupt Arbeitsgelegenheiten schaffen zu wollen, ein Indiz, dem jedenfalls im Fall eines übereinstimmenden Parteiwillens durchaus Gewicht beizumessen sein soll (LSG Schleswig-Holstein a.a.O.).

Praxishinweis:

Diese Entwicklung ist ein Lichtstreif am Horizont. Denn zum einen liefert die Honorarhöhe ein verhältnismäßig klares Kriterium im ansonsten weitestgehend durch Wertungsgesichtspunkte geprägten Graubereich der Abgrenzung. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Unterscheidung (unschädlicher) werkbezogener und (schädlicher) arbeitsbezogener Weisungen, die jedenfalls in Grenzfällen kaum rechtssicher beantwortet werden kann. Zum anderen gibt die Entscheidung Hoffnung insbesondere für den großen Bereich der sog. „Wissensarbeiter“, die bspw. in der IT-, Berater- oder vergleichbaren Branchen oftmals auf Basis freier Werk- und Dienstverträge tätig werden. Und dies gleich in zweierlei Hinsicht:

Zum einen ist die Honorarhöhe in den genannten Bereichen in der Regel alles andere als prekär, ganz im Gegenteil bewegen sich die Tagessätze oftmals sogar im vierstelligen Bereich und sollten damit jedenfalls ein „gewichtiges“, „sicheres“ oder jedenfalls „wichtiges“ Indiz für eine Selbstständigkeit liefern. Ergänzend dazu wird auch nicht zuletzt durch derart attraktive Vergütungssysteme dem Selbstverständnis vieler Wissensarbeiter als Selbstständige Rechnung getragen, sodass in den meisten Fällen auch ein übereinstimmender Parteiwille hinsichtlich einer selbstständigen Tätigkeit vorliegt.

Auch wenn man sich nicht allein auf diese Kriterien verlassen sollte – dies zeigen nicht zuletzt die aktuellen staatsanwaltlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit den langjährigen Beratertätigkeiten im Bundesverteidigungsministerium – sind die Tätigkeiten von den genannten „Wissensarbeitern“ bspw. als Projektverantwortliche für eine spezifische SAP-Systemeinführung o.ä. oftmals auch als eigenständige Tätigkeit ohne eine hinreichende Integration in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers gestaltbar. Die verschiedenen flankierenden Maßnahmen im Zusammenhang mit Scrum und agilem Arbeiten („agile working“), d.h. die Implementierung weitestgehend weisungsfreier Arbeitsprozesse durch das Zurechtschneiden von Arbeitspaketen, der Einführung von Ticketsystemen etc., weisen hier die Richtung.

Insgesamt sind dies also zumindest etwas verlässlichere Aussichten für den Bereich der „Wissensarbeit“ als man es bei Inkrafttreten des neuen AÜG – trotz missverständlicher Formulierungen in der Gesetzesbegründung – noch befürchtet hat. Gerade im Zeitalter von Scrum, agilem Arbeiten etc. bleiben viele Fälle gestaltbar, vorausgesetzt hinreichend complianter Gestaltungen von Verträgen und der täglichen Praxis. Angesichts der herausragenden Bedeutung der Digitalisierung bleibt nur zu hoffen, dass der notwenige Gestaltungsauftrag in arbeitsrechtlicher Hinsicht nicht bei den Gerichten bleibt, sondern die Politik das „Digitalisierungsversprechen“ ernst nimmt und zeitnah die entsprechenden Weichen setzt.

Restriktive Prüfpraxis von DRV, BA & Co.: Tipps zum Umgang mit Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen, OWi nach AÜG etc.

§ 7 SGB IV, 16 AÜG u.a.

 

Einführung:

Parallel zur Einführung des neuen AÜG ist gleichwohl eine Tendenz zu beobachten, wonach sich die maßgebliche Prüfpraxis der Behörden zum Teil sogar erheblich verschärft hat. Beides ist ganz offensichtlich – Digitalisierung hin oder her – dem gleichen politischen Zeitgeist geschuldet. Infolgedessen sahen sich viele Unternehmen gerade im Jahr 2018 mit einer Fülle von Bescheiden – sei es zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund der Beschäftigung vermeintlich Scheinselbstständiger oder Bußgeldern im Zusammenhang mit vermeintlichen AÜG-Verstößen – konfrontiert, deren rechtliches Fundament – ganz vorsichtig ausgedrückt – zum Teil doch sehr deutlich in Frage zu stellen sein dürfte. Im Folgenden seien zwei typische Fälle herausgepickt.

Fall 1 – DRV und Scheinselbstständigkeit:

Der erste Fall betrifft die „übliche“ Beitragsfestsetzung der DRV, gerne auch im Zusammenhang mit einer Prüfung durch den Zoll. Wird eine scheinselbstständige Beschäftigung festgestellt (was gerade in allerlei Grenzfällen vielfach so gemacht wird), ist auch ein Vorsatz oftmals nicht weit. Hierzu benutzt die DRV oftmals das Vehikel einer (angeblichen) sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung, wonach sich der Vorsatz allein daraus ergibt, dass vergleichbare Positionen im Unternehmen auch durch sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer besetzt sind (sog. „Sowohl-als-auch-Fälle“). Zudem hätte man auch proaktiv ein sozialversicherungspflichtiges Statusverfahren nach § 7a SGB IV durchführen können, um den Vorsatzvorwurf zu vermeiden; hat man das unterlassen, indiziert dies einen Vorsatz.

Die Folge: Das Unternehmen und ggf. auch die verantwortlichen Personen haften im Zusammenhang mit dem ausstehenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag (ca. 40% des gesamten Honorarvolumens) nicht nur rückwirkend für 4, sondern für 30 Jahre, bei der Berechnung wird die vertragliche Honorarvereinbarung als Nettolohnabrede gewertet und auf die – in vielen Fällen ohnehin schon existenzgefährdende – Gesamthaftungssumme werden auch noch erhebliche Säumniszuschläge oben drauf geschlagen. Die weitere Folge, die Weitergabe der Akte an die zuständige Staatsanwaltschaft aufgrund eines angenommenen Vorsatzvorwurfs im Zusammenhang mit einer Strafbarkeit nach § 266a StGB, rundet dies ab und entfacht zusätzlichen Handlungsdruck.

Fall 2 – BA und OWi/AÜG:

Ein weiterer durchaus prominenter Fall aus der Prüfpraxis der BA betrifft vermeintliche AÜG-Verstöße, die mit Ordnungsgeldern von bis zu EUR 30.000,00 pro Fall verbunden sind, bspw. in der folgenden Konstellation: Bekanntermaßen bestehen seit Einführung des neuen AÜG neue „administrative Erschwernisse“ vor allem in Form der gesetzlichen Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflichten, d.h. zum einen ist der Einsatz der Leiharbeitnehmer von dem Personaldienstleister und dem Kunden vor der Überlassung vertraglich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen (vgl. § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG) und zum anderen ist die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag vor der Überlassung zu konkretisieren (vgl. § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG). Der AÜ-Vertrag unterliegt zudem der Schriftform (§ 12 Abs. 1 AÜG).

Gerade die zuletzt genannte Konkretisierungspflicht bereitet in der praktischen Umsetzung allerdings oftmals Probleme, insbesondere wenn die namentliche Bezeichnung auch noch der gesetzlichen Schriftform (nicht nur „schriftlich“, sondern mit Originalunterschriften versehen etc.!) genügen soll. Vor diesem Hintergrund – und auch angesichts der FW der BA (vgl. Ziff. 1.1.6.7., S. 20) – wurden in der Praxis vielfach schriftliche Rahmenüberlassungsverträge mit Kontingentabreden („es werden bis zu XY Leiharbeitnehmer überlassen“) geschlossen, auf deren Grundlage sodann eine Konkretisierung in Textform, d.h. insbesondere per E-Mail oder Fax, erfolgte.

Dieses Modell wurde von der BA allerdings in vielen Fällen mit dem Argument beanstandet, dass in dem geprüften Rahmenvertrag eine schuldrechtliche Verpflichtung noch nicht eingegangen wird, da sich erst im Bedarfsfall entscheide, ob überhaupt eine Überlassung stattfinden soll. Deshalb bleibe es – vor allem mit Blick auf die Gesetzesbegründung zum AÜG – bei einem gesetzlichen Schriftformerfordernis, das auch für die Konkretisierung gelte und durch dieses Modell auch nicht durch die Textform ersetzt werden könne.

Praxishinweis:

Dies sind nur zwei beispielhaft benannte Fälle aus der Prüfpraxis, mit denen Unternehmen und die verantwortlichen Personen derzeit konfrontiert sind. Die Praxis ist noch weitaus vielfältiger. Dieser „bunte Blumenstrauß“ an zum Teil sehr empfindlichen Bescheiden der zuständigen Behörden zeigt zum einen die besondere Bedeutung von präventiven Strategien, d.h. zum Handeln, bevor das Kind in den Brunnen fällt. Das Argument, dass in gewissen Fallkonstellationen lange Zeit alles gut gegangen ist, bedeutet keinesfalls, dass es auch für die Zukunft nichts zu befürchten gibt. Ob dann gleich radikale Lösungen wie bspw. die Internalisierung ganzer IT-Abteilungen mit mehreren 100 Personen zweckmäßig sind, steht auf einem anderen Blatt.

Das Beispiel „IT, Berater & Co.“ (siehe oben unter 1.) verweist darauf, dass unter dem Stichwort der Contractor Compliance einiges gestaltbar ist. Rechtlich durchaus kreative Lösungen sind möglich, wie im Übrigen auch das Beispiel des schriftförmigen Konkretisierungserfordernisses nach AÜG zeigt. Hier hat sich die Praxis bspw. mit Vollmachtmodellen beholfen, die es dem Personaldienstleister ermöglichen – unter Befreiung von § 181 BGB (Verbot des Insichgeschäftes) – auf eine entsprechende Anfrage des Kunden nach Leiharbeitnehmern jeweils einen schriftförmigen Einzelüberlassungsvertrag (auf Basis einer im Zweifel vorab abgeschlossenen Rahmenvereinbarung ohne Kontingent) sowohl für sich als auch den Kunden zu unterzeichnen.

Unabhängig von solchen Präventivmodellen zeigt die zunehmend restriktive Prüfpraxis aber vor allem eins: Wehren lohnt sich! Den Autoren sind jedenfalls zahlreiche Fälle bekannt, in denen BA, DRV und Zoll den ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Rechtsrahmen – äußerst vorsichtig ausgedrückt – jedenfalls auf Basis eines sehr weiten Verständnisses ausnutzen. Die Folge waren Status- oder Ordnungsgeldbescheide, die vor den zuständigen Sozial- oder Strafgerichten keinerlei Bestand hatten. Oftmals bedarf es hierzu auch noch einmal den Gang zum Gericht, eine belastbare rechtliche Gegenposition führt in vielen Fällen bereits zu zügigen Verhandlungslösungen, die jedenfalls zu einer ganz erheblichen Reduktion der zum Teil doch sehr empfindlichen Zahlungspflichten führen.

In rechtlicher Hinsicht gibt es hierbei, je nach Einzelfall, zahlreiche Ansatzpunkte. Dies gilt bereits dem Grunde nach, denn in vielen Fällen – das vermeintliche Schriftformerfordernis für die Konkretisierung nach dem AÜG liefert ein gutes Beispiel – ist die rechtliche Bewertung der Behörden schon in der Sache angreifbar. Wie bereits gesagt, Statusbescheide der DRV gehen auch aufgrund interner Verwaltungsvorgaben gerade in Grenzfällen oftmals in eine Richtung, die Erfahrungen mit der BA haben gezeigt, dass die rechtlichen Konstruktionen zur Begründung einer Ordnungswidrigkeit zum Teil derart weit hergeholt sind, dass selbst die BA bei Gericht sehr zügig von den Vorwürfen abrückt und unmittelbare Einstellungen der Ordnungswidrigkeitsverfahren die notwendige Folge sind.

In der Sache kommen den betroffenen Unternehmen und den verantwortlichen Personen hierbei auch weitere Umstände zugute, die im Rahmen einer Erstbewertung oftmals übersehen werden: Zum einen ist der Grundsatz „keine Strafe ohne (bestimmtes) Gesetz“ fester Bestandteil des Straf- und auch des Ordnungswidrigkeitsrechts (vgl. § 3 OWiG), sodass eine Ahndung nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen das Gesetz diese auch für jeden Betroffenen auch erkennbar vorschreibt. Beruht die Ahndung dagegen auf für die Betroffenen wenig erkenn- bzw. vorhersehbaren rechtlichen Konstruktionen, wie einige der genannten Beispiele zeigen, hat dies oftmals keinen Bestand und die Angelegenheit kann zügig erledigt werden.

Darüber hinaus wird in der Praxis aber auch die Zurechnungsfrage immer wichtiger. Es geht erkennbar zu weit, wenn – plastisch gesprochen – eine einzige unautorisierte Weisung eines einzelnen Mitarbeiters zu einer Statusverfehlung oder illegalen AÜ führen soll. Diesem Aspekt, der im Übrigen die Bedeutung von Präventivmodellen zur wirksamen Haftungsvermeidung belegt, schenken auch die Gerichte zunehmend Bedeutung, was nicht zuletzt die weiteren besprochenen – fast schon revolutionären – Entscheidungen des BGH für Strafsachen aus dem Frühjahr 2018 und des BGH noch aus dem Sommer 2017 zeigen.

(Kein) Vorsatz bei § 266a StGB – Erhebliche Haftungseinschränkungen bei dem Vorwurf der Scheinselbstständigkeit

BGH vom 24.01.2018 – 1 StR 331/17

Einführung:

Zum Thema der subjektiven Zurechnung von Compliance-Verstößen im Zusammenhang mit einer Scheinselbstständigkeit (hier konkret zum Vorsatz) hat der BGH seine äußerst restriktive und von einigen Instanzgerichten zunehmend kritisierte Rspr. zugunsten der Verantwortlichen innerhalb der Unternehmen grundlegend geändert. Eine Entscheidung, die insbesondere Geschäftsführer und Vorstände kennen sollten, nicht nur soweit es um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit geht, sondern auch über eine mögliche persönliche Haftung im Zusammenhang mit der Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Sachverhalt:

Der Entscheidung liegt der Vorwurf des Vorhaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) sowie daneben auch der Steuerhinterziehung zugrunde. Der Angeklagte hatte die bei seiner Firma beschäftigten polnischen Handwerker, die unter sozialrechtlichen Gesichtspunkten als Arbeitnehmer zu bewerten waren, nicht bei der zuständigen Einzugsstelle zur Sozialversicherung angemeldet und infolgedessen für einen Zeitraum von etwa zweieinhalb Jahren keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Entscheidung:

Das LG hatte den Angeklagten mangels Vorsatz hinsichtlich seiner Arbeitgeberstellung freigesprochen, die Revision der StA hatte Erfolg und wurde vom BGH zur neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Dieser Verfahrensgang ist für die Praxis allerdings weniger bedeutend als die Hinweise zu den rechtlichen Voraussetzungen für einen Vorsatz und damit auch für eine Strafbarkeit, die der BGH ausdrücklich an das LG gerichtet hat. Hier heißt es vor allem wie folgt:

„Mangels sachlichem Grund für die Differenzierung in den rechtlichen Voraussetzungen eines Vorsatzes im Fall einer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 41a EStG) einerseits und dem Vorhaltens bzw. Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) andererseits erwägt der Senat – insoweit entgegen der bisherigen Rspr. des BGH – zukünftig auch die Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und die daraus folgende Abführungspflicht insgesamt als Tatbestandsirrtum zu behandeln.“

Eine Strafbarkeit setzt demnach nicht mehr nur voraus, dass der Verantwortliche einen Vorsatz in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen hat, die zur Scheinselbstständigkeit führen, sondern auch bezüglich der rechtlichen Einordnung einer Scheinselbstständigkeit als solcher und der daraus resultierenden Beitragspflicht.

Praxishinweis:

Dies ist ein Novum in der Rechtsprechung des BGH und von höchster Relevanz für die Praxis, vor allem für die betroffenen Verantwortlichen innerhalb der Firmen, die Selbstständige einsetzen. Obwohl die Abgrenzungsfrage – gerade in Grenzfällen – aufgrund der Vielzahl wenig trennscharfer Kriterien kaum von erfahrenen Juristen belastbar beantwortet werden konnte, mutete die Rspr. den Firmenverantwortlichen, bei denen es sich oftmals um keine juristischen Experten im Zusammenhang mit Scheinselbstständigkeitsfragen handelte, in der Vergangenheit einiges zu. Denn nach der langjährigen Rspr. des 1. Strafsenats genügte bereits ein Vorsatz hinsichtlich der tatsächlichen Umstände (also über den Einsatz des Auftragnehmers an sich bzw. der dem zugrunde liegenden Modalitäten, der regelmäßig gegeben war), während eine fehlerhafte rechtliche Bewertung als Selbstständiger lediglich einen Verbotsirrtum begründen sollte, der aufgrund der Möglichkeit der Durchführung eines Statusverfahrens nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV allerdings regelmäßig vermeidbar und damit unerheblich war (vgl. zuletzt BGH vom 05.06.2013 – 1 StR 626/12).

Damit sind aber nicht nur die Anforderungen an eine Strafbarkeit und die damit einhergehenden Verteidigungsmöglichkeiten erheblich gestiegen, hiermit sind noch zwei weitere maßgebliche Folgen verbunden: Denn zum einen lag in einer Strafbarkeit nach § 266a StGB auch ein Vehikel für die DRV, um im Zusammenhang mit ausstehenden Sozialversicherungsbeiträgen (oftmals in nicht unbeträchtlichen sechs- oder sogar siebenstelligen Höhen) nicht nur gegen die betroffene Firma, sondern auch gegen die verantwortlichen Personen selbst (Geschäftsführer, Vorstände etc.) durchzugreifen; zum anderen bietet der Vorsatz ein weiteres Vehikel für die DRV, den Zeitraum der Nachentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge von 4 auf 30 Jahren zu erhöhen sowie bei der Berechnung der Gesamthöhe von Nettolohnabreden auszugehen und empfindliche Säumniszuschläge zu addieren.

Insgesamt liefert diese Rechtsprechung also einen Anknüpfungspunkt für erweiterte Verteidigungsstrategien nicht nur mit Blick auf ein mögliches Strafverfahren, sondern auch in zivilrechtlichen Haftungsfragen und bei dem üblichen Vorgehen gegen Nachforderungsbescheide der DRV. Es ist bereits absehbar, dass sich die Haftungssummen hierüber oftmals erheblich reduzieren lassen werden. Zum anderen setzt die Rspr. aber auch einen Akzent für allerlei juristische Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit einer vermeintlichen Scheinselbstständigkeit, denn (lange vernachlässigte) Zurechnungsfragen werden hier immer öfter gestellt und können einer Haftung von Firmen und Verantwortlichen in zahlreichen Fällen entgegenstehen (vgl. Klösel/Mahnhold, BB 2018, 1428 m.w.N.).

Kurzum:

Die weitere Rspr.-Entwicklung bleibt gespannt abzuwarten, es lässt sich aber bereits jetzt sagen, dass hier zahlreichen neuen Ansatzpunkten und Optionen der Weg geebnet wird, die es in der Praxis (weiter) zu nutzen gilt!

AÜG: „Rotationsmodelle“ und sonstige Umgehungsstrategien im Praxistest

ArbG Mönchengladbach vom 20.03.2018 – 1 Ca 2686/17

 

Einführung:

Kernelement der AÜG-Reform waren bekanntermaßen zwei zeitliche Limitierungen, wonach Leiharbeitnehmereinsätze im Grundsatz nur bis zu einer Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten möglich sein sollen (§ 1 Abs. 1b AÜG); für tarifliche Abweichungen vom Equal-Pay-Grundsatz gilt sogar eine noch kürzere Frist von maximal 9 Monaten (§ 8 Abs. 4 AÜG). Ebenfalls bekanntermaßen tickt die Uhr allerdings jeweils von neuem, wenn nach dem jeweiligen Einsatz eine Karenzzeit von mindestens 3 Monaten verstrichen ist.

Naheliegend, dass allerlei Umgehungsmodelle kursieren, vor allem solche, die eine gewisse Rotation von Leiharbeitnehmern vorsehen, um mit Hilfe der Karenzzeit die zeitlichen Limitierungen bzgl. Höchstüberlassungsdauer und Equal Pay zu umgehen. Solche Modelle stoßen in vielen Fällen aber bereits an natürliche Grenzen bspw. in Form eines zu kleinen Leiharbeitnehmerpools, um die erforderliche Rotation in der Praxis auch zu leben. Dass es darüber hinaus aber auch rechtliche Grenzen gibt, wurde in der Praxis vielfach ein wenig vernachlässigt. Dass es sie gibt und wie sie im Konkreten aussehen können, hierüber gibt folgender Fall erste Aufschlüsse.

Sachverhalt:

Ausgangspunkt war ebenfalls eine natürliche Grenze bei der Rotation, denn – wie so oft – fehlte es dem Verleiher schlicht an genügend Kunden, um die für eine Rotation erforderliche Leiharbeitnehmeranzahl dauerhaft zu beschäftigen. Gleichwohl war eine Leiharbeitnehmerin seit Anfang 2014 durchgehend bei einem Einzelhandelsunternehmen eingesetzt. Die Branche ist für ihre niedrigen Margen bekannt; der Kostendruck ist entsprechend hoch. Ende 2017 kündigte der Verleiher der Leiharbeitnehmerin fristgemäß zum 31. Dezember 2017 und bot zugleich eine Wiedereinstellung zu denselben Bedingungen zum 02. April 2018, also 3 Monate und 1 Tag später, an. Die Kündigung begründete der Verleiher vor Gericht u.a. damit, der Entleiher lehne den Einsatz von Leiharbeitnehmern, deren Überlassungsdauer 9 Monate und mehr betrüge, wegen der Folgen von Equal Pay ab. Der Entleiher sei aber sein Hauptkunde, 98 % seiner Personaleinsätze bezögen sich auf diesen Kunden. Eine andere Einsatzmöglichkeit für die Leiharbeitnehmerin habe während des dreimonatigen Zeitraums nicht bestanden.

Entscheidung:

Dieser Begründung erteilt das Arbeitsgericht Mönchengladbach eine klare Absage. Die betriebsbedingte Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, da der Verleiher als Vertragsarbeitgeber nicht dargelegt habe, dass der Beschäftigungsbedarf auf Dauer entfallen sei. Das zeige sich schon an dem Angebot zur Wiedereinstellung; die dreimonatige Wartezeit müsse der Verleiher überbrücken, also im Zweifel das Arbeitsentgelt auch ohne Einsatz fortzahlen. Das belege die dreimonatige Wartezeit in § 8 Abs. 4 (Equal Pay) und § 1 Abs. 1b) (Überlassungshöchstdauer) der am 01. April 2017 in Kraft getretenen Neufassung des AÜG. Der Gesetzgeber habe zum Ausdruck gebracht, dass ein erheblicher Zeitraum i.S.d. Gesetzes erst „ab drei Monaten“ anzunehmen sei. Deshalb sei die Kündigung wegen Gesetzesumgehung mit Blick auf § 8 Abs. 4 AÜG (Equal Pay) unwirksam.

Praxishinweis:

Der Entscheidung ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen, denn das Gericht nimmt eine Zuordnung der durch die AÜG-Reform entstehenden Beschäftigungsrisiken während der jeweiligen 3-monatigen Karenzzeit vor, die sich voll auf der Linie mit der Rechtsprechung des BAG zu betriebsbedingten Kündigungen von Leiharbeitnehmern bewegt. Danach muss der Verleiher anhand seiner Auftrags- und Personalentwicklung darlegen, dass auf absehbare Zeit keine Beschäftigungsmöglichkeit vorhanden ist. Kurzfristige Auftragslücken genügen hierfür nicht, da – so das BAG ausdrücklich – derlei Auftragslücken zum typischen Wirtschaftsrisiko von Verleihern gehören (BAG vom 18. Mai 2006 – 2 AZR 412/05). Diesen Anforderungen an die Darlegungslast dürfte ein Verleiher wohl kaum genügen, vor allem wenn er durch ein an der Wartezeit ausgerichtetes Wiedereinstellungsangebot Einsatzmöglichkeiten zum Ausdruck bringt. Der neu gesetzliche Rahmen zu Equal Pay ist insoweit Teil des Wirtschaftsrisikos des Verleihers.

Unabhängig von der Frage des Beschäftigungsrisikos weist die Entscheidung aber auch bedeutende Hinweise zum grundsätzlichen Umgang von Arbeitsgerichten mit allerlei Rotationsmodellen auf. Denn die Begründung bedient sich nicht der o.g. Auseinandersetzung mit dem Beschäftigungsrisiko, das Ergebnis wird vielmehr ausdrücklich mit einer Gesetzesumgehung begründet, da die Kombination aus Kündigung und Wiedereinstellungsangebot nur einem Zweck gedient haben dürfte, nämlich der Vorgabe des Entleihers zu Equal Pay nachzukommen. Auch wenn dieser Begründungansatz etwas schief liegt (die Wartezeit wurde erkennbar eingehalten und § 8 Abs. 4 AÜG ist auch keinerlei Wertung über einen Einsatz während der Karenzzeit zu entnehmen), zeigt sie doch, dass eine gerichtliche Skepsis gegenüber allerlei Umgehungsmodellen durchaus vorhanden ist.

Denn mit den genannten zeitlichem Limitierungen von 9 bzw. 18 Monaten und den korrespondierenden Karenzzeiten von 3 Monaten verfolgt der Gesetzgeber einen erkennbaren Zweck: Leiharbeitnehmereinsätze und insbesondere solche auf Basis von Equal Pay sollen zeitlich nur „vorübergehend“ möglich sein, diesbezüglichen Umgehungsstrategien soll entgegengewirkt werden (BT-Drs. 18/9232, Seite 20). Im Anschluss daran ist zu erwarten, dass im Fall von Rotations- und allen übrigen Umgehungsmodellen der Rechtsfigur des sog. „institutionellen Rechtsmissbrauchs“ (§ 242 BGB) eine zentrale Rolle zukommen wird. Nach st. Rspr. des BAG setzt dies voraus, dass „ein Vertragspartner ein an sich zulässiges Gestaltungsmittel in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Normen oder des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind“ (vgl. zuletzt BAG vom 10.12.2013 – 9 AZR 51/12 NZA 2014, 196).

Infolgedessen wird die entscheidende Frage voraussichtlich darin bestehen, ob das konkrete Modell in wertungsmäßiger Hinsicht eine Erheblichkeitsgrenze überschreitet, wonach es auch in einer „mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise“ zu gesetzeszweckwidrigen Nachteilen für die betroffenen Leiharbeitnehmer führt. Da derartige Grenzen alles andere als trennscharf sind und von Fall zu Fall von ganz konkreten Details und individuellen Bewertungsmaßstäben der entscheidenden Instanzen abhängen, verbieten sich an dieser Stelle selbstverständlich klare Prognosen.

Dennoch ist zu erwarten, dass allein der Umstand der Rotationsmöglichkeit, der zunächst einmal nur zu einer dauerhaft wiederholten Einsatzmöglichkeit der Leiharbeitnehmer führt, diese Grenze noch nicht überschreitet. Hierfür spricht vor allem der Umstand, dass derart verbleibende Möglichkeiten in dem Gesetzgebungsverfahren unter anderem seitens des „DGB“, „Die Linke“ und einigen weiteren Sachverständigen ausdrücklich benannt wurden, allerdings zu keinen Veränderungen innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens geführt haben. Insoweit ist die gesetzliche Bindungswirkung der Gerichte gem. Art 20 Abs. 3 GG zunächst einmal als verhältnismäßig hoch zu bewerten (vgl. BAG vom 12.07.2016 – 9 AZR 352/15). Etwas anderes kann mit Verweis auf die Rspr. zur Kettenbefristung allenfalls dann gelten, wenn derartige Rotationsmodelle dazu führen, dass Leiharbeitnehmer über einen erheblichen Zeitraum vieler Jahre keine Aussicht auf einen Stammarbeitsplatz bei einem der Entleiher erhalten.

Bei der Frage, wann die Erheblichkeitsschwelle zum treuwidrigen Missbrauch voraussichtlich überschritten ist, dürften auch mit Blick auf die vergangene Rspr. folgende Kriterien relevant sein: (i) Anlass des Rotationsmodells, (ii) Systematik der Rotation, (iii) Beteiligte an der Rotation: (iv) Nachteile der Rotation für die Leiharbeitnehmer. Vor diesem Hintergrund ist bspw. anzunehmen, dass ein über viele Jahre angelegtes, systematisches und ganze Belegschaftsgruppen erfassendes Rotationsmodell zwischen zwei Konzernunternehmen (wobei das zweite ausschließlich zwecks Errichtung dieses Modells gegründet wurde), das zu erheblichen Nachteilen hinsichtlich der Entlohnung und sonstiger Arbeitsbedingungen bei den Leiharbeitnehmern führt, die Grenzen des Rechtsmissbrauchs überschreiten dürfte. Auf der anderen Seite dürften punktuelle Rotationen einzelner Mitarbeiter zwischen wirtschaftlich unabhängigen Unternehmen bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Equal-Pay-Grundsatzes kaum einem ernsthaften Rechtsmissbrauchsverdacht ausgesetzt sein.

Kurzum:

Der Gesetzgeber hat einen gewissen Raum für Rotationsmodelle o.ä. geschaffen, die Entscheidung des ArbG Mönchengladbach zeigt aber, dass – was angesichts der Rechtsprechungshistorie gerade im Zusammenhang mit dem AÜG auch nicht anders zu erwarten war – die Gerichte voraussichtlich eine zentrale Rolle bei der (Re-)Regulierung spielen werden, sodass in der Praxis im Vorfeld genau darauf zu achten ist, ob die Grenzen insbesondere eines möglichen Rechtsmissbrauchs gewahrt werden.

SOKA-Bau: Verfassungsmäßigkeit des VTV – „Wehren lohnt sich“!

BAG vom 21.03.2018 – 10 ABR62/16; LAG Hessen vom 06.04.2018 – 10 Sa 1275/17;
LAG Hessen vom 16.02.2018 – 10 Sa 1228/17; LAG Hessen vom 19.06.2017 – 10 Ta 524/16;
LAG Hessen vom 02.06.2017 – 10 Sa 907/16

Einführung:

Der Begriff SOKA-BAU bezeichnet die Dachmarke der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft („ULAK“) und der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes („ZVK“), beides im Kern privatrechtliche Einrichtungen der verschiedenen Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft. Die wesentlichen Leistungen der SOKA-BAU sind darauf gerichtet, strukturelle Nachteile aufgrund der baubranchenspezifischen Besonderheiten für die Mitarbeiter (Saisonarbeit etc.) abzumildern und erfassen hierbei die Sicherung von Urlaubsansprüchen, die Finanzierung der Berufsausbildung und die Beihilfe zur Altersversorgung der Mitarbeiter.

Die Finanzierung der SOKA-BAU erfolgt über Pflichtbeiträge der Arbeitgeber, deren Höhe von der örtlichen Belegenheit des jeweiligen Betriebssitzes abhängt und bis zu 26,55% der gesamten Bruttolohnsumme für alle gewerblichen Mitarbeiter (!) betragen kann (auch grundsätzlich für 4 Jahre rückwirkend). Da dies in äußerst empfindlichen und im Einzelfall auch existenzbedrohenden Zahlungspflichten münden kann, sind zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen anhängig, in denen sich vor allem Mischbetriebe, die typische Bau- aber auch sonstige Leistungen erbringen, zum Teil mit großen Erfolg gegen eine Inanspruchnahme der SOKA-BAU wehren. Zahlreiche Entscheidungen im Jahr 2018 betrafen derartige Konstellationen und lieferten einiges an Klarheit, was die praktischen Erfolgsaussichten in vergleichbaren Fällen angeht.

Sachverhalt(e):

Die „Entscheidungsreihe“ des LAG Hessen betraf vor allem die Frage der Verfassungsmäßigkeit des SOKA-BAU-Sicherungs­gesetzes („SokaSiG“). Zum Verständnis ein kurzer Schritt zurück: In rechtlicher Hinsicht beruht das System SOKA-BAU auf dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe („VTV“), der zunächst aufgrund seiner Allgemeinverbindlichkeit Anwendung fand und später – nachdem das BAG Einwände gegen die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen für die Jahre 2008, 2010 und 2012 bis 2014 erhoben hatte (BAG vom 21.09.2016 – 10 ABR 48/15; BAG vom 25.01.2017 – 10 ABR 78/16 und 43/15), durch das SokaSiG flankiert wurde, das die – auch rückwirkende – Anwendung des VTV für diesen Zeitraum nunmehr gesetzlich anordnete. Insbesondere diese rückwirkende Anordnung provozierte allerdings umfassende verfassungsrechtliche Bedenken und gab zahlreichen Unternehmen eine Verteidigungsstrategie an die Hand.

Die Entscheidung des BAG betraf demgegenüber die Wirksamkeit der neuen Allgemeinverbindlichkeitserklärungen ab dem Jahr 2015, denn auch hier machten Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer tarifabschließenden Arbeitgebervereinigung waren und deshalb nur auf Grund der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen zu Beitragszahlungen herangezogen wurden, umfassende rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser neuen Allgemeinverbindlichkeitserklärungen geltend.

Entscheidung(en):

Um es kurz zu machen, sowohl das LAG Hessen (in Bezug auf die alten Allgemeinverbindlichkeitserklärungen bzw. das sie „rettende“ SokaSiG) als auch das BAG (in Bezug auf die neue Allgemeinverbindlichkeitserklärung) haben die Bedenken vorerst zurückgewiesen.

Die 10. Kammer des LAG Hessen vertritt die Ansicht, die sie erstmals und ausführlich in der Entscheidung vom 02.06.2017 begründet hat und die sich im Wesentlichen so zusammenfassen lässt, dass die mit dem SokaSiG einhergehende Rückwirkung ausnahmsweise gerechtfertigt ist, weil die Bauarbeitgeber in den vergangenen Jahren in Anbetracht der Rechtsprechung und der Wissenschaft keinen Anlass hatten, in die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen zu vertrauen. Ein schutzwürdiges Vertrauen der normunterworfenen Arbeitgeber bestand nicht, weshalb auch eine Rückwirkung ausnahmsweise zulässig sein soll.

Auch das BAG hat in seiner Entscheidung zur Wirksamkeit der neuen Allgemeinverbindlichkeitserklärungen zunächst verworfen. Insbesondere sollen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 5 TVG n.F. bestehen. Dies gelte auch hinsichtlich der Bestimmung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (§ 5 Ia TVG). Vernünftige Zweifel an der Tariffähigkeit oder der Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes bestanden nicht. Das BMAS durfte annehmen, dass der Erlass der angegriffenen Allgemeinverbindlicherklärungen im öffentlichen Interesse geboten erschien.

Praxishinweis:

Auch wenn dies für alle betroffenen Unternehmen zunächst einmal nach ein wenig Ernüchterung klingt, ist das letzte Wort hierzu noch keinesfalls gesprochen. Insbesondere was die Vergangenheit bzw. Zahlungsverpflichtungen vor 2015 angeht, überzeugt die Ansicht das LAG Hessen in keiner Weise und auch in der gegenwärtigen Literatur wird angemahnt, dass noch immer einiges für eine Verfassungswidrigkeit des SokaSiG spricht (vgl. bspw. Gussen, BeckOK ArbR, § 3 AentG, Rn. 5-7a m.w.N.).

Dies führt dazu, dass insbesondere Vergleichsschlüsse mit der SOKA-Bau insbesondere für vergangene Zeiträume möglich bleiben, die sowohl langwierige Prozesse vermeiden, hierbei aber immerhin zu erheblichen finanziellen Entlastungen für Unternehmen führen können.

Auch wenn im Zusammenhang mit der Vermeidung von Zahlungspflichten der einfache Weg über eine Verfassungswidrigkeit des VTV vorerst nur partiell geebnet scheint, bleibt selbstverständlich die Verteidigung in der Sache. Neben klassischen Baubetrieben handelt es sich in der Praxis oftmals um Mischbetriebe, die neben klassischen Bauleistungen auch andere Tätigkeiten erbringen. Im Einzelfall ist die über eine Zahlungspflicht letztlich entscheidende Frage, ob SOKA-Bau-pflichtige „Bauleistungen“ in arbeitszeitlicher Hinsicht überwiegen, äußerst komplex und diffizil. Dies beginnt schon mit der Frage, ob einzelne Leistungen überhaupt als „schädliche“ Bauleistungen zu bewerten sind und endet mit arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen um den (betriebsverfassungsrechtlichen) Betriebsbegriff, der den Bezugspunkt für eine SOKA-Bau-Pflicht bildet.

Hier hat die Praxis im Übrigen gezeigt, dass die SOKA-Bau den Nachweis eines arbeitszeitlichen Überwiegens von echten Bauleistungen oftmals gar nicht erfolgreich führen kann, was angesichts der bei der SOKA-Bau im Grundsatz liegenden Darlegungs- und Beweislast dazu führt, dass entsprechende Klagen der SOKA-Bau erfolgreich abgewehrt werden können. Hier gilt es zu bedenken, dass es sich bei der SOKA-Bau – trotz gegenteiligen Gebarens – im Gegensatz bspw. zu DRV oder BA um keinerlei öffentliche Behörde handelt, die mit hoheitlichen Rechten ausgestattet ist, sondern um eine mehr oder weniger normale zivilrechtliche Auseinandersetzung handelt, bei der die SOKA-Bau im Grundsatz darlegungs- und beweisbelastet ist.

Es sind deshalb oftmals strategische Fehler der betroffenen Unternehmen, die im Ergebnis dazu führen, dass sich die Darlegungs- und Beweislast zu ihren Ungunsten dreht und sie im Folgenden schlicht faktisch überfordert sind, den komplizierten Nachweis des arbeitszeitlichen Überwiegens keiner relevanter Bauleistungen zu führen. Derartige Fälle gilt es von Beginn an zu vermeiden.

Kurzum:

„Wehren lohnt sich“!

Das BAG und die Zurechnung: Ein Plädoyer für Präventivmodelle („Contractor Compliance“)

BAG vom 27.06.2017 – 9 AZR 133/16

Und noch einmal zum (vernachlässigten) Thema der Zurechnung. Auch wenn die Entscheidung schon aus dem Sommer 2017 datiert, ist sie ebenfalls ein „Muss“ im Zusammenhang mit allen Fragen zu Scheinselbstständigkeit, illegaler Arbeitnehmerüberlassung & Co.; und dies gilt sowohl präventiv als auch in konkreten Verteidigungsszenarien.

Sachverhalt:

Die Entscheidung des BAG betraf die bekannte Konstellation, in der ein Einsatzunternehmen einen bestimmten Produktions- oder Dienstleitungsprozess – hier war es der Besucherservice in einem Museum – fremdvergibt und durch einen Drittanbieter mit eigenem Personal erledigen lässt. Ein Mitarbeiter berief sich infolgedessen auf eine vermeintliche Arbeitnehmerüberlassung und machte ein (fingiertes) Arbeitsverhältnis zum Einsatzunternehmen geltend.

Entscheidung:

Das BAG hatte bereits in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Abgrenzung Werk-/Dienstvertrag einerseits und einer (illegalen) Arbeitnehmerüberlassung andererseits stets betont, dass solche Einsätze grundsätzlich auch auf Basis von Werk- und Dienstverträgen möglich sind. Für die insoweit maßgebliche Abgrenzung komme es darauf an, in wessen Betrieb das Fremdpersonal eingegliedert ist und wessen Weisungen es unterliegt. Dies ergebe sich aus den ausdrücklichen Vereinbarungen und der praktischen Vertragsdurchführung, wobei letztere im Fall eines Widerspruchs maßgeblich sein soll. Soweit so klar also zunächst einmal.

An dieser Stelle begannen in der Praxis aber weit verbreitete Missverständnisse, die das BAG nunmehr zurechtgerückt hat. Denn viele Unternehmen haben bislang – so wie im Übrigen auch das LAG in der Vorinstanz – die Vertragsgestaltung mit dem Verweis auf die „letztlich maßgebliche Durchführung“ nicht hinreichend ernst genommen. Andere Ansicht – nunmehr – BAG!

Und damit nicht genug, wie ein Blick auf die beiden Kernaspekte zeigt: – Das BAG betont erstens die Bedeutung der Vertragsgestaltung, wobei es neben „harten“ vertraglichen Rechten und Pflichten (Weisungsbefugnis, verpflichtende Teilnahme an Schulungen und Einweisungen etc.) auch „weiche“ Fakten wie einzelne Formulierungen („gestelltes Personal“) für die Abgrenzung heranzieht. Zudem, und hierin liegt der entscheidende Aspekt, soll eine hiervon abweichende Vertragsdurchführung auch nur dann relevant sein, wenn sie

„von dem Willen der am Abschluss der vertraglichen Vereinbarung beteiligten Parteien umfasst war“, was wiederum voraussetzt, dass „die zum Vertragsschluss berechtigten Personen die vom Vertragswortlaut abweichende Vertragspraxis kennen und sie zumindest billigen.“

Nochmal, eine Integration in die betrieblichen Abläufe soll nur dann relevant sein, wenn (i) die zum Vertragsschluss berechtigten Personen (ii) dies entsprechend kennen und billigen.

Praxishinweis:

Letzteres ist von gravierender Bedeutung für die Praxis. Dies gilt nicht nur als zusätzliches Verteidigungsargument für den Fall, dass DRV oder BA Sozialversicherungsbeiträge aufgrund einer „enteilenden Vertragspraxis“ nachfordern oder ein Ordnungsgeld im Zusammenhang mit einer vermeintlich illegalen Arbeitnehmerüberlassung verhängen. Dies gilt darüber hinaus vor allem für präventive Maßnahmen einer Contratcor Compliance, die ein solches Szenario schon im Ansatz verhindern soll.

Denn eine naheliegende Antwort im Zusammenhang mit Präventivkonzepten, „saubere Verträge“ zu gestalten und die Vertragsdurchführung einfach “laufen zu lassen” bzw. auf jedwede Compliance-Maßnahmen zu verzichten, um sich so zumindest dem Vorwurf einer “Kenntnis und Billigung” der zum Vertragsschluss Berechtigten gar nicht erst auszusetzen (nach dem Motto „Was diese nicht kontrollieren, können sie schließlich auch nicht wissen und schon gar nicht billigen“), mag etwas zu kurz gegriffen sein. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass die außergerichtlichen Akteure, namentlich Zoll und DRV, kaum einen derart diffizilen rechtsgeschäftlichen Ansatz teilen dürften. In den für die Prüfungspraxis des Zolls maßgeblichen “Fachlichen Weisungen“ der BA vom 20.3.2017 wird jedenfalls nicht ausdrücklich auf derartige Gedankenspiele der Rechtsprechung Bezug genommen. Ein derartiges Vorgehen wäre zudem aber auch praxisfern, da ein Laufenlassen eine enteilende Vertragspraxis gerade begünstigt, sodass die anschließende Darlegung, hiervon vorgeblich keinerlei Kenntnis gehabt zu haben, in vielen Fällen äußerst unglaubhaft erscheinen mag.

Die Rechtsprechung gibt der Praxis also die Richtung vor. In präventiver Hinsicht sind es nämlich praxistaugliche Compliance-Konzepte (Organisationsanweisungen, Schulungen, Hinweisgebersysteme bis hin zu Sanktionen für den Fall abweichenden Verhaltens etc.), die zu einer umfassenden Enthaftung von Unternehmen und verantwortlichen Personen führen können. Soweit eine umfassende Awareness für den Umgang mit Fremdpersonaleinsätzen intern geschaffen ist, können Führungskräfte abweichende Praxen – auch wenn es hierzu im Einzelfall kommen sollte – kaum „kennen und dulden“.

Kurzum:

Compliance hat eine Doppelfunktion. Zum einen sollen rechtswidrige Zustände objektiv vermieden werden. Sollte dies im Einzelfall nicht gelingen und es in der Praxis gleichwohl zu vereinzelten Ausreißern kommen, führen Compliance Konzepte aber auch dazu, unter dem subjektiven Gesichtspunkt der Zurechnung mögliche Haftungsrisiken dennoch zu vermeiden. Auch mit Blick auf die Entwicklungen bleiben wirksame Compliance Konzepte bei dem Einsatz von Fremdpersonal nicht wegzudenken.

Sonstige Highlights

Ansonsten waren im Jahr 2018 aus der Rechtsprechung noch einige Entscheidungen zu folgenden Themenkomplexen interessant:

 

Statusfrage bei Geschäftsführern

Fremdgeschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Mindestkapitalbeteiligung von 50 % oder umfassende Sperrminorität sind bei der Gesellschaft abhängig beschäftigt. Auf die Stimmverteilung auswirkende Abreden, die außerhalb des Gesellschaftsvertrags zustande gekommen sind, haben für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung keine Bedeutung.

BSG vom 14.03.2018 – B 12 KR 13/17 R

 

Verwirkung bei einer Beschäftigungsklage eines Leiharbeitnehmers im Fall einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung

Der Senat lässt offen, ob das Recht, sich auf den (Fort-)Bestand eines gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG begründeten Arbeitsverhältnisses zu berufen, verwirken kann. Allein die widerspruchslose Wiederaufnahme der Arbeit im Betrieb des Verleihers nach Beendigung der Tätigkeit bei einem Entleiher erfüllt allerdings regelmäßig noch nicht das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment. Die bloße Nichtergreifung von Maßnahmen durch den Leiharbeitnehmer gegen seine Abberufung vom Entleiher begründet bei diesem ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch kein schützenswertes Vertrauen, der Leiharbeitnehmer werde keine Rechte aus dem nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommenen Arbeitsverhältnis geltend machen.

BAG vom 20.03.2018 – 9 AZR 508/17

 

„Ein-Mann-GmbH“ bzw. „Ein-Mann-AG“ als untauglicher Schutzschirm

Diese recht einfachen und in der Praxis weit verbreiteten Konstruktionen bieten keinen tauglichen Schutzschirm zur Vermeidung von AÜG-spezifischen und/oder Scheinselbstständigkeitsrisiken, denn jedenfalls eine Konzeption, „deren einziger oder überwiegender Zweck darin bestehen sollte, den Geschäftsführer unter Vermeidung des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses (…) weisungsgebunden beschäftigen zu können“, wäre rechtsmissbräuchlich.

BAG vom 17.01.2017 – 9 AZR 76/16

 

Statusfrage von Taxifahrern im Mietmodell (und anderen ähnlichen weit verbreiteten Geschäftsmodellen)

Mieten Taxifahrer von einer Taxizentrale gegen ein kilometerabhängiges Entgelt die Fahrzeuge und werden sie ansonsten wie festangestellte Fahrer bei der Auftragsvergabe und -abwicklung eingesetzt, hat die Taxizentrale für sie aufgrund einer abhängigen Beschäftigung Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten.

SG Dortmund vom 05.02.2018 – S 34 BA 1/18 ER

 

Kein Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für Forderungen des Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher

Für einen Anspruch auf Zahlung eines im Arbeitsvertrag mit der Verleiherin vereinbarten Bonus ist die Entleiherin nicht Arbeitgeberin i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Denn (Vertrags-)Arbeitgeberin des Leiharbeitnehmers ist die Verleiherin. Zudem folgt auch aus der „gespaltenen Arbeitgeberstellung“ keine Arbeitgeberstellung der beklagten Entleiherin. Der Leiharbeitnehmer wird zwar in deren Betriebsorganisation eingegliedert und auch bestehen ihr gegenüber der Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG, die Rechte gem. § 14 II 3 AÜG, die Wahlberechtigung gem. § 7 S. 2 BetrVG und der Schutz vor Benachteiligung nach §§ 6 ff. AGG. Hier geht es jedoch nicht um die Durchsetzung dieser Rechte, sondern um die Zahlung einer Prämie aus einer Vereinbarung mit dem Verleiher.

BAG vom 24.04.2018 – 9 AZB 62/17